Yoko Tawada: Abenteuer der deutschen Grammatik

Pressestimmen


In Abenteuer der deutschen Grammatik konzentriert die japanisch-deutsche Schriftstellerin Yoko Tawada ihren Scharfsinn auf die deutsche Grammatik und spielt mit ihr auf einer Weise, die nur eine Nicht-Muttersprachlerin kann…

 

In Yoko Tawadas Gedichten wird die alltägliche Grammatik lebendig, lustig und abenteuerlich. Abenteuer der deutschen Grammatik enthält eine Reihe von kurzen und witzigen Gedichten wie »Groß aber leise«:

 

»Mein Deutsch« schreibe ich groß und spreche

es leise aus.

Die »deutsche« Grammatik schreibt man klein

mit Größenwahn. (7)

 

 

Tawadas Bemerkungen zur deutschen Grammatik heben besondere Aspekte der Sprache, die sie aus dem Blickwinkel einer zweisprachigen Person beobachtet, hervor. In Abenteuer der deutschen Grammatik spielt Tawada mit den Gegebenheiten der deutschen Grammatik in Gedichten wie: »Die zweite Person Ich«, »Perfekt«, »Passiv« und »Eine neue Periode ohne Punkt und Komma«. So gebraucht sie zum Beispiel in »Die Konjugation« Nomen als Verben:

 

er hemt

wenn ich bluse

weiche in den händen der wäscherin am hafen

glänze nicht ohne den gültigen spaß

fiebere nach kunstseide

er hemt den fortschritt

schimpft mit der kunst und dem stoff

er hütet

wenn ich hose

ich hose die schneiderpuppe

ich schneide

du liebste

ich pistole

du angst

wir arbeiten an der Änderungs-

Grammatik (20)

 

 

Vielleicht ist die schärfste Beobachtung des Bandes auch die, mit der sich Tawada seit dem Anfang ihres zweisprachigen Schaffens beschäftigt hat und die im Zentrum des Bandes steht: »Sprachen bestehen aus Löchern«

 

(Kurt Hollender, litlog.de)


Der erste Gedichtzyklus „Abenteuer der deutschen Grammatik“ war namensgebend für das schmale Büchlein, das 35 Gedichte, verteilt auf fünf Zyklen, vereint. Die Texte sind jeweils eine kleine kritische Hommage an die deutsche Grammatik. Ihr Überraschungseffekt geht auf eine andere, von außen kommende Sichtweise zurück, der oft Vergleiche, Irritationen und Verfremdungen zu Grunde liegen…

 

Diese Gedichte könnte ein deutscher Muttersprachler so nicht schreiben, denn man benötigt ein anderes System, eine andere Ordnung, auf die das System und die Ordnung der deutschen Sprache aufprallen, damit all die Unterschiede, Seltsamkeiten, Zufälle und logischen Fehler offenbar werden. Tawada, die Russisch und Deutsch studierte, kennt drei Sprachsysteme und Denkstrukturen, so dass dieser Aufprall sich mal als eine sachte Berührung, mal als ein unerwartetes Aha-Erlebnis oder als aufrichtiges Staunen und Wundern über die grammatikalischen Mysterien gestaltet.

 

… Die für den deutschen Muttersprachler so gewöhnlichen und selbstverständlichen grammatikalischen Mechanismen entledigen sich ihrer Selbstverständlichkeit und avancieren zu bekannten Fremden, die man nicht immer wiedererkennt. In Formulierungen wie „ich pistole / du angst“, die auf die Konjugation zurück- und über dieses Grammatikthema hinausgeht, hält die Autorin fest, welchen Streich die deutsche Grammatik Sprachlernenden, die in ihrer Muttersprache keine Personenkonjugation kennen, spielen kann. Einige Regeln der deutschen Grammatik müssen für Sprachlernende in der Tat seltsam anmuten: „Das perfekt Vergangene ist durchkomponiert und vereinfacht / Warum sind wir aber so vielfältig in der Gegenwart?“

 

…Es sind viel mehr etymologische Minisprachstudien wie beispielweise im Zyklus „Utopien“, die ihren besonderen Umgang mit der Sprache prägen. Die dichterische Sprache Tawadas, bezaubernd und unverwechselbar, verhilft ihr und uns zu frischen, unverbrauchten Bildern, die in ihren Bann ziehen. Sie weiß: „dichten bedeutet: die früchte buchstabieren“

 

(Natalia Shchyhlevska, April 2011, Literaturkritik.de)