Seitdem ich auf dieser Welt geboren bin, habe ich niemals mein Gesicht von außen gesehen. Kein Spiegel zeigt mir, wie ich im Gespräch mit einer anderen Person aussehe. Oft sehe ich im Gesicht der anderen rätselhafte Züge. Sie faszinieren mich und ich widerspiegele sie auf meinem Gesicht. Mein Gesicht ist ein Skizzenbuch. Die Person, die mit mir spricht, entdeckt in meinem Gesicht Zeichnungen der eigenen Gesichtszüge und steigt in sie ein, so wie man in einen Fernzug steigt.
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Ich weiß nicht wie ich von außen aussehe. Von innen aber habe ich mein Gesicht schon oft gesehen: eine schattige Landschaft mit einem sumpfigen Wald und zwei gefrorenen Seen. Außerdem gibt es dort eine Tropfsteinhöhle und zwei Tunnel mit Muscheln im Netz. Ich trete in diese Landschaft ein und verlaufe mich.
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Ich kann nicht das Gesicht jener Frau von innen sehen. So werde ich zu einem Wind und streichele die Oberfläche ihres Gesichtes. Ihr Gesicht ist eine menschenlose Landschaft. Der Wind liest die Blindenschrift, die auf dem Feld geschrieben ist. In dem Moment werden zwei Seen auf dem Feld sichtbar. Tasten ist Sehen ohne Distanz. Wenn es weht, rauschen blonde Gräser und graublaues Wasser.
1
Woher kenne ich diese Farbe?
An einem Dezembertag
Nach einer Reise durch Südostasien
Als ich wieder nach Hamburg kam
Vor meinem Fenster
Die Straße, eine durch Schnee korrigierte Linie
Die lange Nacht kam mit pfeifenden Schiffen
Und dann sah ich
Den Müllwagen
Mit drei Männern auf dem Rücken
Ihre Uniform hatte genau die gleiche Farbe
Wie das Mönchsgewand in Thailand
Das Orange, das das Wort im Schatten wachruft
Die Schale einer Frucht
Die nicht geschält werden will
Das Innere enthält kein Licht
Bleib’ ungeschält!
Deine Schale ist Obst wert
Dagegen ein Stück einer Orange
Bloße Gerüchte von Vitamin C
Ein saures Bereuen
Die Orangenschale
Strahlt in der Farbe der Betenden,
die uns im Morgennebel besuchen
Um Almosen abzuholen
Wir drücken die weiche Stirn gegen die Erde
Bis ihr Gebet endet
Bis der Müllwagen davonfährt
Ein Motor ahmt das Gebet nach
Der Müllbeutel ist ein Geschenk für die Heiligen
Greift man tief in den Beutel
Erhellt sich die Hügellandschaft im Traum
Man wirft den Beutel ins Loch des Müllwagens
Das Beste werfen wir immer in den Müll
Verpackungspapier einer Seife
Rote Wurzeln vom grünen Spinat
Verschimmelte Manuskripte
Oder alte Schuhe, die schon zu viele Wege kennen
Die orangefarbenen Männer holen den Beutel ab
Der Beutel, das Hotel
Für altes Porzellan oder totes Gerät
Der Beutel, die junge Schachtel, der Sarg für das neue Leben
Ein Geschenk der Industrie
2
Schmutzig
Sagen alle Kinder
Was is das?
Hat keinen Namen
Auf der Straße gefunden
Man darf es nicht anfassen
Was ist das?
Namenlos , das auf der Straße Gefundene
Eine Orange liegt unter dem Apfelbaum
...
© konkursbuch Verlag Claudia Gehrke