Silke Andrea Schuemmer: Nixen fischen

Pressestimmen


„Stilistisch wie erzählerisch ist Schuemmers Roman aus einem Guss. Der surrealistische Ansatz ist augenfällig: Der Erzählduktus pendelt raffiniert zwischen der Realität und Traumwelten. Boris Vians surrealistischer Klassiker Schaum der Tage zelebriert eine ähnlich märchenhafte Aura…

 

Nixen fischen - ein Märchen im feuchten Milieu. Eine Erlösungssuche auch. Weil jener feindosierte mystische Akzent wunderbar zu einem modernen Kunstmärchen passt. Während die Figuren nach dem rechten Maß ihres Lebens suchen, hat Schuemmer dieses Gleichmaß in der Anlage des Romans gefunden. Inmitten des Chaos herrscht Ordnung.“ (Lotar Glauch, Am Erker)


Schuemmers Prosa ist salzwassergetränkt; schier unerschöpflich scheint ihr Reservoir maritimer Motive zu sein. Die Lyrikerin Schuemmer, die jedes einzelne Wort auf sein Gewicht prüft, ist auch in ihrer Prosa zu erkennen. Da stehen sirenengleiche Verlockungen, die schillernde Erotik von Meerjungfrauen unmittelbar neben dem rätselhaft tentakeligen, schleimig-schuppigen Unbekannten auf dem Meeresgrund, das man lieber nicht aus seinem unruhigen Schlaf wecken will…

 

Magischer Realismus und beißende Satire reichen sich die mit Schwimmhäuten versehenen Hände. Knut Seckig ist dabei nur das unangenehmste Exemplar einer durch und durch verkommenen Kunst- und Antiquitätenhändlerszene. Schmierig sind die Ölsardinen, die er mit bloßen Händen in sich hineinstopft, schmierig ist jeder Satz, der seinen wulstigen Lippen entweicht. Und wenn es hinter den feuchte Wänden, in denen „der Schwamm“ haust, gluckert und rauscht, dann weiß nicht nur der Leser, dass hier noch ein dunkles und glitschiges Geheimnis lauert...

 

Für die Autorin ist dieser Roman beinahe ein Lebensprojekt. Auf Ihrer Homepage schildert sie, wie sie dieses Sujet seit ihrer Studienzeit in den 1990er Jahren verfolgt, als sie in einer Kunsthandlung arbeitete und dort offenbar in einem „misogynen, zynischen“ Besitzer das Vorbild für Knut Seckig persönlich kennenlernte. Zahlreiche Skizzen, Handlungsentwürfe und Rohfassungen entstanden im Laufe der Jahre, die Autorin drohte unterzugehen in den dunkel schimmernden Untiefen. Doch sie ist aufgetaucht und es ist dem konkursbuch Verlag hoch anzurechnen, diesen funkelnden Schatz gehoben und verlegt zu haben.

 

(Frank Schorneck, culturmag.de)


Gibt es noch die Meerjungfrauen, die auftauchen und untergehen und manchmal jemanden mit in die Tiefe nehmen? Die deutsche Autorin Silke Andrea Schuemmer beantwortet diese Frage in ihrem außergewöhnlichen und merkwürdigen Roman mit Ja. Wie selbstverständlich durchschwimmen Nixen diesen Text, der sich zwischen Realität und Märchen bewegt und in den fantastische Elemente mit Erzählungen, Geschichten und minutiöser Beschreibung verwoben sind. Schauplatz ist ein Antikgeschäft für Maritimes, das der in die Jahre gekommene Widerling Knut Seckig führt.

 

Die blutjunge Ines verschlägt es in den düsteren Laden, weil sie ein altes Polaroidbild im Schaufenster entdeckt hat, die sie unbedingt besitzen möchte. Als Bezahlung für das Foto soll sie vier Wochen für Seckig arbeiten. Der beleibte Händler unterweist Ines in der Kunst des Handelns und Tricksens und sie sieht in seinem Laden viel mehr als nur skurrile Utensilien rund um das Meer. Seckig nimmt sich nämlich nicht nur alter Dinge, sondern auch gestrandeter Mädchen an, rettet sie von der Straße, um sie dann selbst zu missbrauchen.

 

Seckigs Antagonist ist Patte, ein einst verunfallter Taucher, der im Rollstuhl sitzt. Er symbolisiert sozusagen das Gute, Seckig das Böse, Ines gerät dazwischen hinein und muss zusehen, wie sie sich aus dieser feuchten, siffigen und schmutzigen Meereshöhle wieder befreien kann. Viele Geschichten werden hier erzählt, Geschichten rund um das Meer, Geschichten von Menschen, die den Weg der Protagonisten gekreuzt haben, Geschichten von Familien. Jeder erzählt hier, freiwillig oder dazu genötigt.

 

Dazwischen finden sich detaillierte Beschreibungen des Antikladens, seines Sammelsuriums sowie des Personeninventars, das dennoch seltsam fremd und distanziert bleibt. Etwas gewöhnungsbedürftig ist dieser Roman, er erschließt sich nicht sogleich und man schwankt anfangs zwischen Faszination und Abstoßung. Dann irgendwann wird man hineingezogen in den Sog der Erzählung wie in die Wellen des Meeres. Ein eigenwilliger, fantastisch-märchenhafter Roman um Auftauchen und Untergehen voller Fische, Quallen und klebriger Tentakel, die kaum Luft zum Atmen lassen.

 

(Karoline Pilcz, Buchkultur, Juni 2017)