Mein Heimliches Auge

Presseinformationen


Die Salonkolumnisten haben im Sommer 2020 mit Verlegerin Claudia Gehrke über "Mein heimliches Auge" gesprochen. Hier ist der Link.


Überblick

Zum Buch: Kurze Absichtserklärung und Einführung in die Ideen hinter dem "Heimlichen Auge"

Pressestimmen: Ausgewählte Zitate

Zum Auge-Prozess: Überblick über die rechtlich umkämpfte Vergangenheit des Auges

Reaktionen: Ausgewählte Reaktionen, die zur Verteidigung im Auge-Prozess gesammelt wurden

Entstehung und Geschichte: Über die Ursprünge des Auges

Zu- und Widerspruch: Ein kurzer Überblick über den stark gespaltenen Empfang des Auges


Zum Buch

Das bekannteste Buch des Verlages erscheint jedes Jahr. Jede Nummer ist so vielfältig wie möglich. Für Interviews und Gespräche stellen wir unterschiedliche Themen, Gespräche sind "überraschend ehrlich und ohne Selbstzensur" (es ist natürlich möglich ein Pseudonym zu wählen, was in den letzten Jahren übrigens von zunehmend mehr Auge-Beiträger*innen gewünscht wird).

 

Beim Blättern im Buch werden die „scharfen“ Bilder oft zuerst wahrgenommen, doch nach und nach entpuppt sich das komplexe Wechselspiel von Text und Bild, von den einzelnen Beiträgen untereinander. Eine "feine grenzüberschreitenden Kommunikation" zwischen den Ebenen im Buch findet permanent statt. Man kann das AUGE überall aufschlagen und immer wieder neu lesen. Es zeigen sich die diskreten Bilder, die andere Bedeutungen in Konfrontation mit den „scharfen“ gewinnen und umgekehrt. Es gibt literarische Perlen neben tagebuchähnlichen Texten, philosophische Kurztexte und poeitsche Gedichte neben deutlichen Versen.

 

Jede Nummer des Jahrbuchs enthält ca. 250 bislang unveröffentlichte Bilder, Privatfotos, Gemälde, Zeichnungen, Fundsachen, deutliche und geheimnisvolle Bilder, Witz und romantischen Ernst, Erzählungen, Essays, Lyrik & Gespräche, zu einem großen Teil von Frauen. Die AutorInnen kommen aus allen Bereichen, von 18 bis 80. So entsteht eine Collage größtmöglicher Vielfalt der Sexualitäten, und der Arten, sie darzustellen in Text & Bild.

 

Das "Heimliche Auge" kämpft für die Aufhebung der Schubladen: gegen das Berührungsverbot. Für die Vielsprachigkeit. Jedes Auge beinhaltet im Prinzip alle erotischen Themen. In den Gesprächen und Interviews und manchen Beiträgen setzen wir kleine thematische Schwerpunkte. Manche der Themen wurden erst Jahre, Jahrzehnte lässt sich auch schon sagen, später breiter wahrgenommen, z.B. Geschlechtertausch, zwischen den Geschlechtern leben etc.

 

Spannend mitzulesen sind nach nunmehr bald 40 Jahren des Erscheinens die vielschichtigen kleinen Veränderungen im Umgang mit dem Thema. Auch spannend: immer wieder publizierten im AUGE neben bereits bekannten AutorInnen und anderen Kulturschaffenden völlig unbekannte AutorInnen oder Essayistinnen, die später erst berühmt wurden, oft mit Erstveröffentlichungen, z.B. Alissa Walser, Thomas Hettche, Silvia Szymanski, Bodo Kirchhoff, Yoko Tawada. Dies hat sicherlich auch damit zu tun, dass die Türen für Beiträge eigentlich immer offen sind.


Pressestimmen, kurz

„Ein Fels in der Brandung ... ästhetische Geradlinigkeit.“ – Ursula März, DIE ZEIT

 

„Die Spielarten sind unendlich…“DIE ZEIT

 

„Es ist Claudia Gehrke gelungen, mit Fotografie und Bildender Kunst, Prosa und Lyrik jedweder sexuellen Inszenierung Raum […] schaffen, ohne den Eros zu zerstören.“STUTTGARTER ZEITUNG

 

"… die vielen, vielen Seiten der Liebe, so frisch, authentisch und aktuell. Eine Wundertüte." – HZ

 

"Eigenwillig, irritierend, intelligent ..." – DER SPIEGEL

 

"Dieses Buch wird Ihnen Schlemmeraugen machen ... Einen nachdenklichen Beitrag über das Verstehen der Geschlechter versprechen dabei die ungeschürzten Dialoge ... Fazit: Wer unverstellt fühlt, spricht und handelt, könnte das Einmaleins des Liebens gefunden haben“ – THÜRINGER ALLGEMEINE

 

"Liebe Herausgeberin, lieber Herausgeber, das heimliche Auge hat doch für ein Bilderbuch viel zu viel Text, für Feministinnen zu viele Schwänze, für Schwule zu viele Lesben, für Lesben zu viele Männer, für Romantiker gibt’s zuviel Schmerz, für Sadomasochistinnen zuviel Herz! Veröffentlichen Sie doch mal was, das in irgendwelche Schubladen paßt!!!" - der ironische Wunsch vom Magazin der schwulen Buchläden, Erlkönig, in einer Rezension des Auges


Zum Auge-Prozess

Nicht nur die Aufmerksamkeit der Presse zog das "Heimliche Auge" auf sich, auch Bundesprüfstelle zeigte Intresse. Und obwohl zwei Indizierungsverfahren zu dem Schluss kamen, dass das "Heimliche Auge" Kunst war, konnte und wollte sich die Staatsanwaltschaft einschalten, bis es dann 2001 zum Prozess kam.

 

„Nicht Kriege, Kindersterben, millionenfacher Hungertod oder Völkermord bedrückten diesen Sittenwächter, sondern umgekehrt: Der Menschen Sehnsucht nach irdischem Glück erschien ihm als das Grundübel unserer Epoche."

 

So Eike Gebhard in einem ausführlichen Bericht über die Auge-Prozesse (Ende der 90er / anfang der 2000er-Jahre) beim Deutschlandfunk.

Im Ramen des Prozesses wurden damals Reaktionen gesammelt, um die Position des Verlags zu untermauern. Einige ausgewählte davon sind im nächsten Abschnitt zu lesen.


Reaktionen, als die Prozesse losgingen

Zusammengestellt von konkursbuch:

 

"Bücher wie die Fotobände von Krista Beinstein, wie "Matter of Trust" und eben das "Heimliche Auge" sind die einzigen Wege dem Sexismus zu begegnen, da Subversion sich nur von innen vollziehen kann...Die "konkursbücher" sind Perlen in meinem Regal. Jedes Ihrer Buchveröffentlichungen ist Ergebnis einer seltenen gelungenen Verbindung von Kunst und Erotik. Besonders im "Heiml. Auge" ist das immer wieder versuchte Experiment geglückt, Erotik in der Kunst nicht auf Kosten der Erotik zu opfern, und dabei gleichzeitig nicht im Sumpf sexistischer Pornos unterzugehen...Wenn Pioniersarbeit wie Ihre verhindert wird, so wird gerade wieder jene Pornografie gestärkt, die tatsächlich nicht wünschenswert ist ..." -

- Nadja Schefzig, Wien

 

"...es tut mir leid für Sie, wenn Schlachten, die nicht nur für die Grundsätze der Ästhetik, sondern auch diejenigen der modernen Rechtsprechung längst geschlagen sind, immer wieder ausgetragen werden müssen - nicht etwa auf dem breiten Rücken des grenzüberschreitenden Porno-Vertriebs, sondern auf dem empfindlichen Rücken eines kleinen Verlags, der, in der Tat, auch rechtsirrtümlich und gegen alle liberale Vernunft ganz leicht gebrochen werden kann – als hätten wir zu viele davon, und als wäre der ökonomische Zwang der passende Vollstrecker für die sittliche Entrüstung... Ich kenne die Kontexte, die der Konkursbuchverlag herstellt, ein Verlag, der Autorinnen vom Range Yoko Tawadas veröffentlicht; ich verdanke ihm viel an Einsichten, Anregungen, Provokationen, und unter diesen ist natürlich die erotische nicht die Geringste - wie alles für die menschliche Existenz Grundlegende..."

- Adolf Muschg

 

„Mein heimliches Auge“... rückt – aller deutlichen Bildlichkeit zum Trotz – die kulturelle zwischenmenschliche – demokratische, produktive (sozusagen der Blick von Foucault) –Bedeutung von Sexualität in den Vordergrund.“

- aus dem Gutachten für den Prozess im März 2001 in Tübingen von Dr. Herrad Heselhaus, Universität Tübingen


Entstehung und Geschichte

1980 erschien konkursbuch 6, Erotik, sozusagen die Nullnummer, mit einigen Schwarzweißabbildungen. Claudia Gehrke und der Frankfurter Schriftsteller (bekannt durch den legendären März-Verlag) Uve Schmidt entwickelten gemeinsam die Idee zu einem das konkursbuch 6 begleitenden „Bilderbuch“.

 

„Uve Schmidt hatte Kisten voll mit „Waschküchenpornografie.“ Bilder, auf denen die Lust immer deutlich zu sehen war, im doppelten Sinne: Die Lust am neuen Medium Fotografie, das Vergnügen auf den Gesichtern – der Frauen wie der Männer. Diese alten Fotografien erinnerten mich an mein erstes voyeuristisches Erlebnis: im Schrank des Vaters hatten meine Schwester und ich alte Stripteasefilme entdeckt, und die uns dann heimlich angeschaut ... mir hat das viel Spaß gemacht, die Frauen, die sich lachend und mit den ruckelnden Bewegungen der alten Stummfilme auszogen.

 

Mein weiblicher Voyeurismus bekam viel Stoff bei Uve Schmidt, die ganze Wohnung ein erotisches Kabinett, selbst die Spazierstöcke in Stiefeln waren inspirierend. Und was gab es sonst an erotischen Bildern: dümmlich anreizende Frauengesichter – eher lustlos als lustig – für weibliche Lust am Schauen nicht gerade erregend. So entwickelten Uve Schmidt und ich inmitten der ausgebreiteten lustigen und lustvollen alten Fotos die Idee, ein Bilderbuch parallel zum Konkursbuch „Erotik“ zu machen – ein Bilderbuch, zu dem ich von Anfang an möglichst viele Frauen einladen wollte, um der Erotik ein weibliches Gesicht zu geben, und Uve Schmidt „Kulturschaffende“.

 

Uve Schmidt schlug als Titel „Mein privates Auge“ vor, daraus machte ich „Mein heimliches Auge“...Und das „Jahrbuch der Erotik“, eine Collage aus Kunst, Fotografie, Satire, Erzählung, Lyrik, Essay war geboren .Sexualität als Thema in allen Facetten – jenseits der Schubladen. Sie dem Monopol de Pornographie entreißen, das wollten wir...“

(C.Gehrke, in „Ausgerechnet Bücher“)

 

1982 erschien dann "Mein heimliches Auge", das 1985 einen ersten Folgeband erhielt "Mein heimliches Auge. Das Jahrbuch der Erotik II", 1988 erschien die Nummer III und ab dann erschien es wirklich jährlich.

 


Zu- und Widerspruch

Natürlich stieß das AUGE auf Widerspruch. Bereits die Nummer Eins setzte eine Lawine der Empörung in Gang "Sowas brauchen wir (ein linker Buchladen) nicht". Pro- und Kontraplädoyers wogten durch die alternative Presse. Bücher wurden remittiert oder kommentiert und bewusst behalten. Denn das, was rauskam bei unserer Frage an Kulturschaffende, was denn für sie erotisch sei, war nicht immer sanft und nett und zart, sondern durchaus auch mal derb und direkt. Die Reaktionen aus Presse & Briefen publizierten wir in der (vergriffenen) Broschüre "Schweinkram". Natürlich gab es auch damals schon viele gute Pressereaktionen.

 

Die ZEIT schrieb von "Lust & Liebe" und empfahl "Mein heimliches Auge" als Weihnachtsgeschenk, die Stuttgarter Nachrichten befanden: "Undomestizierte Erotik, frech und ohne Harmoniesüchtelei".

 

Die Auseinandersetzung um dieses Jahrbuch ging weiter. Neben diversen Versuchen diverser Staatsanwaltschaften brandete Ende der 1980er Jahre die PorNOdebatte auf. Der konkursbuchverlag publizierte anlässlich dieser Debatte das vielbeachtete Buch "Frauen und Pornographie", mit Texten von Elfriede Jelinek, Cora Stefan, der Rechtsanwältin Jutta Bahr-Jendgens, Christel Dormagen, Claudia Gehrke, einem Daumenkino von Doris Lerche u.v.a.

 

Die Bilderflut der herrschenden Pornographie durch Gesetze einzudämmen, war EMMAs Anliegen. Wäre nicht eine andere Möglichkeit, diese Bilderflut sozusagen anarchisch und subversiv zu unterlaufen durch die Produktion eigener Bilder? Claudia Gehrke wird als Sachverständige eingeladen zum SPD-Hearing und zum Hearing der Grünen anlässlich der Gesetzesinitiative von EMMA, der Spiegel macht ein Titelthema "Frauen und Pornographie". In dieser Nummer schrieb Claudia Gehrke einen vielbeachteten Beitrag, und sie diskutierte auf vielen großen Veranstaltungen quer durchs Land mit EMMA-Redakteurinnen und anderen "Fachfrauen".

 

"Mein heimliches Auge" ist und bleibt Aufhänger, Claudia Gehrke in die diversen Kulturzentren, Frauenkulturhäuser, Universitäten & Sender einzuladen. Verschiedene Filme über den Verlag wurden gedreht, Portraits der Verlegerin erschienen: in der Wochenendbeilage "Magazin" der Züricher Zeitung, in "Elle", in "Amica".

 

Diverse Medienwellen rollen vorüber, der Verlag widmete sich der Erotik von Anfang an und wird sich ihr weiterhin widmen, wie auch - oft kombiniert - seinen anderen Schwerpunkten, dem Denken und der Dichtung.