Tobias Gohlis über die Autorin Regina Nössler

 

Auf Platz 5 der Krimibestenliste von Deutschlanfunk und FAZ:
Die Putzhilfe *von*Regina Nössler*

 

 

Mit ihrem Kriminalroman *Schleierwolken *war Regina Nössler 2018 der Sprung auf die Krimibestenliste gelungen. Darin stand eine Frau im Zentrum, die als Korrektorin arbeitet, obwohl sie ein abgeschlossenes Studium hat. Noch deutlicher unter dem gemeinhin unterstellten sozialen Wert landet eine Mittdreißigerin, deren Namen wir erst spät erfahren, in*Die Putzhilfe*. Unter clandestinen Verschleierungsmaßnahmen hat sie bei Nacht und Nebel Mann, Spießerhaus und das münsterländische Kaff Senden hinter sich gelassen. In Berlin-Neukölln, unter den sozialen Antipoden, findet sie ein Kellerloch. Ein paar Hunderter ersparen ihr das Vorzeigendes Personalausweises. Als „Marie Weber“ – genannt nach der Ehefrau des Vaters der modernen deutschen Soziologie – wird sie mehr oder minderüberrumpelt von einer älteren Frau, die ihr im Museum vor die Füße gefallen ist und sie als Putzhilfe anheuert.

 

 

Mit feinem Gespür hat *Regina Nössler* den allerdienstbarsten Begriff für diesen Beruf als Romantitel gewählt. Seit ihrem ersten Roman *Strafe muss sein* (1994) reist sie durch die Abgründe von Unterwerfung, Demütigung und Herrschaft. Was damals (*Nössler* ist Jahrgang 1964) vorjugendlicher Entdeckungslust beinahe überschwappte, ist in *Die Putzhilfe *anderthalb Dutzend Romane und Erzählbände später zum abgeklärteren, aber ganz und gar nicht entspannten Porträt dreier Frauen – 15, Mitte dreißig, Ende 50 – transponiert. Alle drei haben ihre Geheimnisse, und es ist der geschickten Erzählstrategie Nösslers zu danken, dass diese so lange verborgen bleiben, bis sie als soziale Wahrnehmungsstereotype aufgedeckte werden.

 

Selten gab es einen Roman, auf den *Jim Thompsons* Satz „Es gibt zweiunddreißig Arten eine Geschichte zu schreiben, aber es gibt nur einen Plot: Die Dinge sind nicht, wie sie scheinen“ mehr zutrifft als auf *Die Putzhilfe*.   Das Spiel dieses Kriminalromans mit Krimierwartungen und -stereotypen über versteckte Waffen und versteckte Motive ist zugleich eine Hommage an die heute „leider in Vergessenheit geratene“ britische Autorin *Celia Fremlin* (1914-2009, die selbst in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts als promovierte Cambridge-Absolventin aus einem Akademikerhaushalt als Putzfrau arbeitete, auf der niedersten Rangstufe der Hausgehilfen, und darüber das einzige englische Buch veröffentlichte, das den Begriff Putzfrau (char) im Titel trug. *Fremlin* griff in ihren 16 zwischen 1958 und 1994 veröffentlichten Kriminalromanen immer wieder auf diese persöliche Ur-Erfahrung weiblicher sozialer Existenz zurück. Ihren Roman *Rendezvous mit Gestern* (1972/1988) nennt Nössler wiederum als ihre Inspirationsquelle. Er ist nur noch antiquarisch zu bekommen.  Am Freitag, den 29.11. hat Deutschlandfunk Kultur wie immer vorab eine Rezension zu Die Putzhilfe gesendet, diesmal von mir.

 

 

Am Freitag, den 29.11. hat Deutschlandfunk Kultur wie immer vorab eine Rezension

zu Die Putzhilfe gesendet, diesmal von mir.