Künstlerisches Selbstverständnis
Meine Motivation, Theater zu machen: Ich will eine Geschichte erzählen, die berührt, zum Nachdenken und Mitfühlen anregt, gelegentlich irritiert, neue Horizonte öffnet, Zuschauer mitnimmt auf eine Reise zu Orten, an die sie vorher nicht einmal gedacht haben. Innovative Formen, multimediale und spartenübergreifende Elemente kommen dazu, wenn's sich so entwickelt, die Geschichte, die ich erzählen will ist mir wichtigstes Anliegen. Meine Theatergeschichten erzählen von Suchen und Finden, Neugier und Mut, Beharrlichkeit und glücklichen Wendungen trotz schwieriger Bedingungen, und von Transformation, sich einlassen, hingeben an eine Aufgabe und ein Leben, wir haben nur dieses eine Leben - verschwenden wir es nicht!
(Nicola)
Nicola Klaiber und Egmont Elschner wollten ihre jahrzehntelange Erfahrung mit unterschiedlichen Theaterformen in ein deutsch-peruanisches Projekt einbringen. 2003 beim letzten Besuch Nicolas in Peru erzählt Mario Delgado, Gründer und Leiter von Cuatrotablas von einem Filmdrehbuch über die peruanische Ehrenbürgerin Maria Reiche. Daraus entstand die Idee zu einem Theaterstück über die Lebensleistung dieser außergewöhnlichen Frau, die 1903 geboren 1932 aus Dresden nach Peru kam. Nach Recherchen belebten wir 2013 unsere alte Gruppe F.A.U.S.T., sozusagen FAUST 3.0. Egmont schreibt das Stück „Ich bin keine Dame, ich bin ein alter Stock“, das vorführt, wie sich Leben selbstbestimmt gestalten lässt. Damit kehrten Nicola Klaiber und Egmont Elschner nach 40 Jahren nach Frankfurt am Main zurück, wo ihre gemeinsame Theatererfahrung ihren Ursprung hat. Die Uraufführung des Stückes fand 2014 in Dresden statt, am Geburtsort Maria Reiches zu ihrem 111. Geburtstag. Mit diesem Stück tourten wir 2014 durch Deutschland. 2018 greifen wir das Thema in einer neuen Version zusammen mit einer peruanischen Schauspielerin wieder auf. (Text von Nicola)
Die Uraufführung der neuen Version des Stückes war für Ende Oktober 2018 in Nasca, Peru, geplant, danach sollte es eine Aufführung beim "Encuentro Ayacucho" geben. 1998 war Nicola zusammen mit Sarah auf diesem Theatertreffen. In einer Zeitung wurde zum Festival ein Bericht über die Theatergruppe Cuatro Tablas publiziert, in der Nicola Ende der 1970er mitwirkte.
Damals wollten auch wir die Welt verändern… 1968 kam es zu ersten Straßentheatern und Freien Gruppen. Theater wie Bread and Puppet und Living Theatre wurden zum Vorbild, aber auch Grotowski und Tabori.
Wir gründeten 1972 in Frankfurt am Main die Freie Gruppe F.A.U.S.T. mit der ersten Aufführung am 1. Mai 1972 der „Sackgasse § 218“ im Theater am Turm mit Schauspielern des Frankfurter Schauspiels, mit Schauspielstudenten und theaterbegabten und -begeisterten Laien.
Die „Erdnussparty“ folgte im Schauspielhaus, ein Stück zu Guinea-Bissao und der portugiesischen Diktatur mit ihren damals noch existierenden Kolonien (beides wurde 1973 in der Nelkenrevolution abgeschafft, also kurz nach unseren Aufführungen …). Nur auf der Straße spielte „V – wie Vietnam“, eine Szenenfolge die bewusst Hanoi neben Dresden im 2. Weltkrieg stellte, um gerade Ältere aufzurütteln.
In Frankfurt am Main wurde von Egmont Elschner und Nicola Gehrke auch im „Büro Freier Gruppen“ der Versuch gestartet, die junge und überschaubare Szene Freier Theaterarbeit miteinander zu verknüpfen.
1973 brachten die Weltfestspiele der Jugend in Berlin-DDR im Anschluss die Theatergruppe „Cuatrotablas“ nach Frankfurt mit dem hinreißenden Stück „Oye“. Eine Freundschaft entstand, die seit über 40 Jahren anhält. Und wir organisierten damals die erste „Spontan-Tournee“ für Cuatrotablas.
Durch einen Auftrag des Frankfurter Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann wurden die Straßentheater-Erlebnisse in einem Sommerprogramm mit „fester Bühne“ auf dem Römerberg zu einer festen Einrichtung. Im Bauch der Bühne verbargen sich Tische und Bänke und notwendige Bühnenmöbel. Bei Apfelwein gab es absurdes Theater, Kabarett (Otto Waalkes z.B.), erste Talk-Runden und vielfältige Aufführungen.
Die Römerbergprogramme hatten einen überschaubaren Etat. Auch für das Festival „argumenta“ fand sich städtische Unterstützung, aber die Foyer- und Straßenprogramme finanzierten sich (bis auf wenige Gastspiele) nur durch das freiwillige Engagement aller Beteiligten. Bis auf einen treuen „harten Kern“ mussten immer neue Enthusiasten im Rhythmus von ca. 3 Monaten gewonnen werden. Die Kräfte erschöpften sich dabei. Und so wurde das Experiment F.A.U.S.T. im April 1974 beendet.
Weiter ging’s ohne Egmont mit F.A.U.S.T. 2 unter Leitung von Nicola Gehrke bis 1976 in Frankfurt, 2 Jahre in Peru bei Cuatrotablas (1978-80) und immer wieder mit einzelnen Theaterprojekten und Beteiligungen in Tübingen und Marburg bis zur Wiederbelebung unseres alten Namens 2013. (Text von Nicola)
Unter dem Arbeitstitel "Jenseits von – más allá de Nasca" planten Nicola Klaiber und Magda Agudelo seit März 2018 ein Nachfolgeprojekt des biographischen Theatermonologs „Ich bin keine Dame, ich bin ein alter Stock“, ein szenischer Dialog zweier höchst unterschiedlicher Frauen: Maria Reiche geht 1932 von Dresden nach Peru und findet dort ihre Lebensaufgabe – Esparta geht durch die Begegnung mit Maria 1972 von Peru nach Deutschland und findet hier ihr Leben. Ab Juli entwickelten und probten wir das Theaterstück.
Maria Reiche, 1903 in Dresden geboren, bricht im Anschluss an ihr Studium 1932 in die Welt auf. In Nasca, Peru, findet sie 1941 schließlich ihre Lebensaufgabe, dort widmet sie sich der Vermessung, Erforschung und dem Schutz der mehr als 2000 Jahre alten riesigen Linien und Figuren. Durch ihre Arbeit werden diese 1994 zum Weltkulturerbe.
Diese Frau, die es allein mit der patriarchalen peruanischen Verwaltung aufnahm, nach vielen Kämpfen als bislang einzige Frau zur Ehrenbürgerin des südamerikanischen Landes ernannt wurde und 1998 ein Staatsbegräbnis erhielt, kann mit Recht als außergewöhnliche Frau bezeichnet werden. Stellvertretend für die vielen großartigen Frauen in Maria Reiches Leben taucht Esparta auf, peruanische Sängerin, 1951 in Pucallpa, Peru geboren. Ihr Lebensweg kreuzt sich in jungen Jahren mit dem von Maria Reiche, die sie als Ziehtochter sieht, ihr außergewöhnliches musikalisches Talent entdeckt und sie zur Operngesangsausbildung nach Deutschland schickt.
Während Maria immer mehr in der Wüste von Nasca aufgeht, macht sich Esparta aus dem Amazonasurwald auf zur Gesangsausbildung nach Deutschland. Beide machen sich das zunächst Fremde zu Eigen, beide gewinnen durch den Aufbruch in die Fremde ein ganz neues Leben. Nach Motiven aus den realen Lebensgeschichten und eigenen Phantasien dazu, erzählen und spielen wir Geschichten von Begegnungen zwischen Linien im Sand, von Schatten und Träumen, Einsamkeit und Licht.Die beiden Leben bilden das Material zu den Fragen, die sich uns allen stellen: wer sind wir - was bestimmt unser Leben - was bestimmen wir - was bedeutet Migration und Assimilation - was verbindet uns - was trennt uns - was ist unsere ‚Bestimmung’? Projektionen der berühmten Geoglyphen von Nasca, Fotos, Briefe und Musik nehmen den Zuschauer auf die Reise mit.
Für Ende Oktober 2018 hatte Nicola mit dieser neuen Produktion eine Einladung zum nur alle 10 Jahre stattfindenden Theaterfestivals in Ayacucho, Peru erhalten. Anlässlich des 20. Todestages von Maria Reiche planten sie zudem in Nasca selbst zu spielen. Es sollte eine Version in Deutsch und eine in Spanisch geben. "Wir wollen damit ihre Geschichte wieder zurückbringen nach Peru, wo sie und ihre großen Verdienste um die Erhaltung der Nasca-Linien langsam in Vergessenheit geraten und wir wollen dazu beitragen, sie auch hier in ihrer deutschen Heimat bekannter zu machen. Schließlich ist diese Arbeit ebenso wie das fünfte Ayacucho-Festival auch eine Hommage an Mario Delgado (* 1947 Callao, † 2016, Lima, Peru), Gründer und Leiter der Theatergruppe 'Cuatrotablas'", der wichtigen Einfluss im Leben Nicolas hatte. Nicola war 1978 Mitorganisatorin des ersten dieser Workshop-Theaterfestivals.
Erste Produktion 2014 von F.A.U.S.T. reloaded (Nicola Klaiber und Egmont Elschner) zu Maria Reiche, Uraufführung 27. Mai 2014 im Societaetstheater Dresden, Preview zum 111. Geburtstag Maria Reiches am 15. Mai 2014 im Romain-Rolland Gymnasium, ihrer ehemaligen Schule.Weitere Aufführungen in verschiedenen Städten, u.a. in Frankfurt/M, Tübingen und Marburg.
Ein außergewöhnliches Frauenschicksal im Theater: Maria Reiche. Ein selbstbestimmtes Leben in großer innerer Freiheit und Unabhängigkeit. Das Stück beginnt mit der „Lebensführerin“ Maria Reiche, sie beschwört die magische Bedeutung der Wüste und erzählt ihr Leben.
Maria Reiche aus Dresden ist 1932 in die Welt aufgebrochen, nach Peru. Sie hat lange das Empfinden, ihre Lebensaufgabe, ihre „Bestimmung“ nicht gefunden zu haben, bis ein amerikanischer Professor sie bittet, zur Sommersonnenwende im Dezember Linien der riesigen Wüstenzeichnungen bei Nasca mit dem Stand der Sonne zu vergleichen. Vielleicht stellen die Bilder ja astronomische Berechnungen dar. Später wird sich herausstellen, es sind zu viele Linien, Bilder, geometrische Figuren, um präzise Berechnungen abzubilden. Aber Maria Reiche hat ihre Lebensaufgabe gefunden, die jahrhundertealten Geoglyphen zu schützen und zu untersuchen und sie so publik zu machen, dass die UNESCO sie 1994 dem Welterbe der Menschheit zuschlägt. Ihre Ziehtochter Esparta, eine Campa-Indianerin aus der Amazonasregion, deren besondere Stimmbegabung sie entdeckte und der sie ermöglichte, in Deutschland eine Ausbildung zur Opernsängerin zu machen, ist ihr Gesprächspartnerin und Hilfe zur Reflektion.Esparta wird – aus dem Off – von der realen Esparta Rios gesprochen und gesungen, die in Berlin als Sängerin lebt.
Die Bühne – Wohnort und Wüstenrand – wird umgrenzt durch Projektionen der berühmten Bilder und ihrer Briefe und Tagebücher. Opernmusik, peruanische und deutsche Volkslieder strukturieren die Erzählung eines ungewöhnlichen Lebens. (Text von Nicola)
Pressestimmen (Auswahl):
"Klaibers Duktus ist unaufgeregt, seltener dringlich. Fließend wechselt sie zwischen Spiel und sympathisierendem Bericht, alles aufgehellt von Musik und schönen Bildern. Ein starker Abend." (Frankfurter Neue Presse)
" ...und nebenher erzählt sie aus ihrem Leben, mit eben der uneitlen knochentrockenen Sachlichkeit, die Maria Reiche auszeichnete. Und dennoch lässt die Schauspielerin spüren, was hinter der
spröden Schale vorgeht ... man spürt in Klaibers Spiel den Drang nach Unabhängigkeit, die kompromisslose Identifikation mit der Aufgabe ... Und die musikalischen Einblendungen ebenso wie die
Projektionen von Natur, Wüste, Landschaftszeichnungen und Sternenhimmel verweben das in ein großes spirituelles Ganzes." (Reutlinger Generalanzeiger)
Hier finden Sie eine Aufzeichnung der
Aufführung in Dresden.
Nicola Klaiber, geb. Gehrke, 12.11.1954 bis 18.12.2018.