Frau und Kakerlake
Kakerlaken lernte ich ein erstes Mal in Sankt-Petersburg, damals noch Leningrad, kennen, in einem Wohnheim, in dem ich ein Zimmer gemietet hatte. Ich studierte in dieser Zeit Kunst und war in
einen hübschen und auch begabten Musiker verliebt, in einen richtig guten Trommler. In einer heißen Sommernacht nach dem Liebesakt mit Fesseln und Peitsche (ist ein Witz) hatten wir Lust
bekommen, Tee zu trinken. Wir gingen in die Gemeinschaftsküche. Als ich Licht machte, fing die ganze Küche plötzlich an, sich zu bewegen. Alles war rot-braun und rannte intensiv hin und her. Die
Myriaden fetten Ungeziefers flüchteten in alle möglichen Richtungen. In wenigen Sekunden sah die Küche wieder ganz normal aus, wie sie immer aussah. Die Möbel, der Herd, die Stühle und Schränke
nahmen ihre gewöhnlichen Farben an.
„Man sagt, wenn die Kakerlaken in die Nachbarwohnung gehen, kehren sie mit tausenden Kriegsgefangenen zurück“, scherzte ich.
Wir lachten. Ich stellte den Teekocher auf den Herd. Wir saßen noch lange am Tisch, tranken den Tee und aßen belegte Brote. Wir waren stark ineinander verliebt.
Die Kakerlaken. Sind die Kakerlaken schön? Von der Kakerlaken-Seite betrachtet spielen im Völkchen die Schönheitsprobleme bestimmt eine Rolle. Ich kann es mir so vorstellen.
Aber wenn wirklich jemand süß aussieht, dann sind das die
Marienkäfer!
Frau und Marienkäfer
Die Marienkäfer lernte ich in Berlin kennen.
Die süßen Marienkäferchen haben die Gewohnheit, im Herbst durch die Fensterlöcher von der Gartenseite des Hauses in die Wohnung einzudringen. Es war in der Küche (wieder). Über den ersten Gast
freute ich mich total. Jetzt hatte ich ein Haustier! Ich fasste es sorgfältig an und setzte es auf die Blume, die auf dem Fensterbrett stand. Jaaa... Was mache ich mit dem Tierchen? Es war
bestimmt hungrig, wenn es zu uns Menschen kam. Oh, armer Käfer! Ich überlegte kurz: Was könnte ihm schmecken? Honig und Apfelsaft! Ein Tropfen von einem, ein Tropfen vom anderen schmierte ich auf
das Blumenblatt vor den Käfer. Er fing an, die Leckereien gierig aufzusaugen. Und ich kehrte in mein Atelierzimmer zurück, um Bilder zu malen. Als ich wieder nach dem Tierchen schaute,
beschäftigte es sich immer noch mit dem Saugen. So ein hungriges Wesen! Am nächsten Tag waren schon vier Käfer da. Ich setzte sie zu ihrem Kollegen, der immer noch am Fressen war, auf das
Blumenblatt und gab ihnen noch etwas von der gleichen Nahrung. Am dritten Tag erschienen noch fünf weitere Viecher. Das letzte Mal spendierte ich den Hungrigen etwas von unserem Honig. Ich war
mit meinen Kräften am Ende. Mit so vielen Haustieren hatte ich nicht gerechnet. Auf ein Blatt Papier vorsichtig aufgesetzt, ließ ich alle Käfer aus dem geöffneten Fenster in die Freiheit. Sie
kamen aber alle zurück.
„Meinetwegen könntet ihr bei uns auf dem Fensterbrett den Winter durchpennen. Füttern werde ich euch aber nicht“, habe ich ihnen streng gesagt.
Meine gute Freundin, die am Rand eines großen Parks im elften Stock wohnt, saugt die Marienkäfer, die sich kiloweise zwischen den Fensterrahmen verstecken, mit dem Staubsauger auf.
Wenigstens stechen die Marienkäfer nicht, wie es die Wespen machen können ...
(Im Buch folgt hier der nächste Abschnitt des "Reigens": Frauen und Wespen.)