Leseprobe aus Andreas Reimann

Die männlichen Zeitalter

Die Umwege der Augen

Den einen zu lieben ist schön. – Aber, ach:

es laufen die augen den anderen nach,

den breiteren schultern, vollendeter rund.

Den strengeren lippen, dem weicheren mund.

Dem längeren haar, dem geschorenen pelz.

Dem wankenden rohr, dem gestandenen fels.

Den nachtbrunnen-augen, den blicken wie zinn.

Dem sanftren profil, dem entschiedneren kinn.

Den mai-boys, bekleidet nur andeutungsweis.

Den müden athleten, besprenkelt mit schweiß.

Dem lüsternen, lauernden, zockenden typ.

Dem in-sich-versunknen ich-habe-mich-lieb.

Dem hochmütig-fremden, der kostbar sich dünkt.

Dem, der mich er-männlicht. Dem, der mich verjüngt.

Den hintern wie früchte, verschieden und prall...:

 

Dem einzigen stern und dem gänzlichen all

gehn nach keine augen, kehrn wieder und gehen.

 

Aber den einen zu lieben, ist schön.


Ich halte mich zurück in meiner list

Zwar spar ich nicht mit meiner gegenwart

und sage gar, was mein begehren ist

 

Doch bleibe ich trotz des begehrens hart

und laß vergleichsweis träge meine hand

und hab das größte kunstvoll ausgespart.

Denn ...

 

(Weiter auf S. 16 im Buch)


Einige Stimmen zum Buch

„.Andreas Reimann gehört zu den wichtigsten deutschen Lyrikern der Gegenwart, auch wenn sein Werk dem Publikum bislang kaum bekannt sein mag." (Peter Hinke) „Man möchte aus den Gedichten immer wieder zitieren, ohne über sie urteilen zu wollen." (Waltraud Hartinger)

 

„Seinen Gedichten ist ... wie man so schön sagt, nichts Menschliches fremd: Liebe und Enttäuschung, Aufschwung wie Absturz, Verzweiflung und Hoffnung. Lob des Daseins und Lästerung. Poetische Offenbarungseide eben dieses Andreas Reimann"(Gerhard Wolf) „Nach Jahren des Schweigens fand er zu einer reifen Dichtung, die den Zucker forcierter Frühreife rücksichtslos verbrannte"(Richard Pietrass)

 

"....sang er seine Lieder, die direkt und unverblümt seine Anschauungen benennen. Leider aus einem unserer sozialistischen Gesellschaft wesensfremden Milieu. Unterhalb der Gürtellinie (jedenfalls in dieser leicht rezitierbaren und direkten Form) liegen seine Liebesgesänge, die schon halbe Pornografie darstellen." (IM-Bericht von 1976 aus den Akten der Staatssicherheit)